Samstag, 15. Februar 2014

a bumpy ride


Wow. Was für eine Woche! Ein Auf und Ab mit Höhen und Tiefen!
Sechs Kinder durfte ich diese Woche  auf ihrem Weg ins Leben begleiten.
In der Klinik hier läuft die Geburtshilfe anders als ich sie jemals gesehen habe. Die vielen wehenden Frauen bleiben so lange auf der “Station” (eine Anneinderreihung von 15 Betten), bis “es drückt”.
Zu Beginn werden sie kurz untersucht und dann im Wehenschmerz allein gelassen. Jede Frau, die jemanden mitbringt, der sich um sie kümmert, kann sich glücklich schätzen. Diese Person bringt ihr Essen und Trinken, besorgt die Handschuhe und die Medikamente, hält den Platz ordentlich, richtet das Bett und macht nach der Geburt die Wäsche. Wer niemanden hat, muss eben all das alleine machen, oder einfach aushalten. Möglichst still und leise gebären, dabei keine Gefühle zeigen – das scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein.

Irgendwann kommen sie dann (mit ihrer Begleitung) in den Geburtsraum gelaufen, angespannt, ängstlich und verkrampft. Bei der ersten Geburt am Dienstag waren gerade zwei Frauen im Geburtsraum (eine Schwangere zur Untersuchung und eine Wöchnerin, die ein Verhütungsimplantat bekommen hat). Der kleine Raum war also voll, als seine der Wehenden von der Station kam, um ihr Kind zur Welt zu bringen. Schnell alle raus! Die Plastikfolie wird auf die Liege gelegt, die Gebärende zieht sich aus, legt sich auf den Rücken, wird zum Schieben angefeuert  und keine fünf Minuten später ist das Baby da. Das Kind wird nun erstmal an den Füßen hochgehalten, die Nabelschnur sofort durchtrennt und dann in viele Tücher gewickelt, um anschließend sofort untersucht zu werden. Sobald die Plazenta geboren ist und die Frau sich wieder angezogen hat, steht sie auf und geht auf die Station, als sei nichts passiert. Gebären scheint derart alltäglich zu sein, dass ich bisher bei keiner Geburt irgendeine Emotion der Frau erlebt habe.

Nachdem wir dann kurz den Raum geputzt haben, kam auch schon die nächste Frau rein. Diesmal hat ihre Begleitung ein kleines Bündel in der Hand gehalten – ihr Kind, geboren im Plumpsklo in der 28.SSW, 1200g leicht. Der kleine Junge wurde abgenabelt, auf die Brust der Mutter gelegt und zugedeckt. Angestrengt versuchte er, zu atmen, hat sogar langsam etwas Farbe bekommen und ein zartes Schreien von sich gegeben. Erst später habe ich erfahren, dass diese Frau eine Stunde vorher schonmal da war – um den ersten Zwilling zu gebären. Ich kann mir nicht erklären, wieso diese Frau nach der Geburt des ersten Zwillings allein gelassen wurde! Der erste Zwilling hat sich genauso schwer getan, wog 1300g und lag in ein Tuch gewickelt alleine im Bett der Mutter, als sie mit dem schon geborenen Bruder in den Kreißsaal kam. Die Hebammen erklärten mir, dass sie den Ehemann schon angerufen hätten, damit die Frau in ein Krankenhaus verlegt werden kann, in dem die Frühchen versorgt werden kann. Aber der Mann hat sich eben Zeit gelassen, sodass die Frau mit ihren Zwillingen schließlich drei Stunden nach der Geburt des ersten Kindes verlegt wurde. Eine besondere Situation schien dies nicht zu sein. In aller Seelenruhe (man könnte es auch Gleichgültigkeit nennen) wurde die Frau zur Station gebracht, damit Platz für die Nächste gemacht werden kann. Es wird schon irgendwann jemand kommen, der die Frau verlegt…

Geburt Nummer vier durfte ich dann im “Mzungu Style” selbst leiten. Zwei Liegen gibt es im Kreißsaal, sodas die diensthabende Hebamme auf Liege 1 eine weitere schnelle Erstgebärende entbunden hat, während ich daneben mit der anderen Frau gearbeit habe. Diese Frau hat ihr drittes Kind erwartet und  kaum Englisch gesprochen. Trotzdem haben wir uns verstanden, sodass ich ihr zeigen konnte, welche Positionen sie probieren kann und wie die Atmung ihr helfen kann. Man lernt auch, mit den wenigen vorhandenen Materialien irgendwie zurecht zu kommen. Vorher wurde sie gut von ihrer Begleitung mit Essen und Trinken versorgt und hat dankbar jede Hilfe, jedes bestärkende Wort, jeden freundlichen Blick und die Kreuzbeinmassage angenommen. Es ist nicht leicht, in diesem Raum eine angemessene Atmosphäre zur Geburt zu schaffen. Nur durch einen Vorhang getrennt von der anderen Frau blieben uns vielleicht fünf qm, die wir nutzen konnten. Alles ist gut gelaufen, Mutter und Kind ging es die ganze Zeit über gut. Mit leicht verwirrtem und staunenden  Blick kam die diensthabende Hebamme dazu, als ich den kleinen Jungen aufgefangen hab und die Frau dabei in einer aufrechten Position (im 4-Füßler) war. Aber sie ließ mich alles so machen, wie ich es für “richtig” halte, sodass ich die Nabelschnur auspulsieren lassen konnte und das Kind nach dem Abtrocknen Haut-auf-Haut auf die Brust der Mutter gelegt habe. 

Am Mittwoch habe ich meinen ersten Workshop zum Thema Geburtspositionen im Geburtshaus gehalten. Es ist sehr gut gelaufen, wir hatten viel Spaß und ich denke, dass die Hebammen etwas mitnehmen konnten und die ein oder andere Technik anwenden werden. 

Seit Donnerstag ist die Leiterin der Organisation auch hier und so langsam habe ich das Gefühl, mich nach dem schwierigen Start etwas mehr einzuleben und dass die Zeit hier eine Bereicherung für mich sein kann. Danke auch für die vielen lieben eMails, vor allem von vielen Familien, die ich in Koblenz begleitet hab! Ihr seid großartig !

Am Freitag wurde ein hübsches  Mädchen bei Shanti geboren. Alle Hebammen waren bei einem Workshop, sodass ich die Frau auch alleine betreut habe. Es war das sechste Kind und es ist alles gut gelaufen. Eine kleine Julia!

Was mich diese Woche wirklich fassungslos gemacht hat war die Nachricht vom Hebammenverband in Deutschland. Unsere Versicherung streicht zum 01.Juli 2015 die Beurfshaftpflichtversicherung. Wenn keine Alternative gefunden wird, bedeutet dies das Aus für alle freiberuflichen Hebammen, für Geburtshäuser und Praxen. Auch Kurse, Hebammenvorsorge und Nachsorge wird es dann nicht mehr geben, denn ohne eine Versicherung dürfen wir in Deutschland nicht arbeiten. Hier der Link zum Artikel.

http://www.hebammenverband.de

Ich hoffe so sehr, dass bis dahin ein anderes Versicherungsunternehmen gefunden werden kann – sonst kann ich meinen Beruf an den Nagel hängen…
Frauen, wehrt euch!  Ein ganzer Berufsstand steht vor der Vernichtung!



1 Kommentar:

  1. Wow, das hört sich so krass an, wie die Frauen ihre Kinder zur Welt bringen.

    Danke für deinen lieben Kommentar, so oft schaue ich unsere Tochter an und denke voller Liebe und Glück an ihre Geburt. Es war wirklich wunderschön und du fehlst mir hin und wieder!!

    Ich wünsche dir, dass du weiterhin immer besser in deine Aufgaben dort hinein findest und vielleicht auch ein wenig etwas bewegst. Den Frauen scheint es gut zu tun.

    Bzgl. der Versicherung habe ich auch in den letzten Tagen viel nachgedacht. Die Woche werde ich ein paar Briefe schreiben...

    Fühl dich gedrückt!
    Natascha

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