Freitag, 21. März 2014

08/06/14




Der letzte Blogeintrag ist nun schon wieder eine ganze Weile her. Warum? In der Regenzeit fällt der Strom noch häufiger aus, als ich es hier gewohnt bin. Der Rekord bisher: 6 Tage ohne Strom und 2 Tage ohne Wasser. Bei jedem Stromausfall kann man damit rechnen, dass auch das Wasser bald nicht mehr da ist. Dann gibt es eben “Bucket Showers” mit Wasser aus den typischen gelben Kanistern, die an der nächsten Wasserpumpe aufgefüllt werden. Man gewöhnt sich tatsächlich an alles!
Richtig schön war mein Geburtstag. Es gab sehr viel Kuchen und viele liebe Menschen um mich herum! Außerdem habe ich mir selbst ein Geschenk gemacht und den Rückflug nach Deutschland gebucht. Am 08.06.2014 lande ich um 14:10 Uhr in Frankfurt! Ich freu mich schon jetzt so sehr auf meine Familie, meine Freunde und auf eine große Schüssel bunten Salat! Dazu Leitungswasser (!), Vollkornbrot und als allererstes eine warme Dusche! 6 Monate Afrika reichen mir – zumal ich langsam merke, dass es meiner Gesundheit nicht gerade gut tut.

Das Volunteerhouse ist jetzt voll belegt. Nadhira aus Washington (Rechtsanwältin) ist vor 10 Tagen hier angekommen und liebt es, sämtliche Möbel umzustellen und Duftkerzen im Haus zu verteilen. Gestern ist außerdem Karen aus Kanada (Yoga Lehrerin) mit ihren beiden Töchtern (12 und 14) angekommen. Es war wie Weihnachten, als sie ihren Koffer ausgepackt hat und ihre Mitbringsel furs Volunteerhouse verteilt hat. Anständige Schwämme, eine kleine Kaffeemaschine, Teller...
Ich freu mich, dass Leben im Haus ist!

Am Freitag habe ich mich auf den Weg nach Ruanda gemacht, weil ich ein neues Visum brauchte. Laura (eine andere deutsche Freiwillige) war dabei und wir hatten eine wirklich schöne Zeit zusammen! Nach 12 Stunden Busfahrt kamen wir in der Hauptstadt Kigali an. Viel konnte man auf der Fahrt durch die abgedunkelten Scheiben nicht sehen, aber das, was man sehen konnte, war beeindruckend.
Wasserfälle, Schluchten, eine weite, satt-grüne und hügelige Landschaft mit kleinen Hütten…
Ruanda ist ganz anders als Uganda. Fast erlebt man einen kleinen Kulturschock! In Ruanda sind Plastiktüten verboten, alles ist viel organisierter und sauberer. Die Straßen sind ausgebaut, es gibt Ampeln und Straßenschilder, Mülleimer, gepflegte Parks und Häuser… die Boda-Bodas nehmen maximal einen Menschen mit (der einen Helm tragen muss) und nicht wie in Uganda die gesamte Familie mit Getier. Jeden letzten Samstag im Monat lassen die Einheimischen ihre Arbeit stehen und liegen und machen etwas für die Gemeinschaft, z.B. die Straßen säubern, Schulen bauen…
Auf der Busfahrt haben wir einen Einheimischen kennen gelernt, der einfach nur lieb war, ohne irgendetwas dafür haben zu wollen. Am Anfang bin ich hier immer erst skeptisch, weil ich schon zu oft erlebt habe, dass die Leute dein Geld wollen oder dich mit ständigen Anrufen nerven. Dieser Mensch war anders. Er hat uns zum Hotel gebracht, uns zum Essen eingeladen und den Transport zum Bus auf der Rückfahrt organisiert. Stolz hat er uns sein Büro gezeigt (er arbeitet im Bildungsministerium) und war unser Ansprechpartner auf der Reise. Auch als Laura es nicht mehr geschafft hat, ihre Postkarten abzuschicken, hat er das übernommen. In Kigali haben wir uns das Memorial Center über den Genozid angeschaut, was sehr beeindruckend war. Zwei Tage waren wir außerdem am Lake Kivu – wie Urlaub!
Wir sind mit einem Boot zu einer der Inseln gefahren (auf der etliche Fledermäuse leben) und sind auf den höchsten Punkt der Insel geklettert, was mit einem wahnsinnig schönen Blick belohnt wurde. Im Regen ging es dann zurück zum Boot, und der Abstieg war ganz schön rutschig und anstrengend. Ihr wollt gar nicht wissen, wie wir danach aussahen. Am Mittwoch ging es auch schon zurück nach Kampala, und da wir eine Motorpanne hatten, dauerte es natürlich nochmal länger…auch, weil die ganze Zeit die Händler in den Bus gekommen sind, um ihr Zeug zu verkaufen. Nach zwei weiteren Stunden im Matatu sind wir heile “daheim” angekommen. Im Warten und Rumsitzen bin ich inzwischen aber sehr geübt.



Großes Thema ist hier im Moment das neue Gesetz über Homosexuelle. Homosexualität kann mit lebenslanger Haft bestraft werden. Was ich alles schon an Diskussionen mit den Einheimischen hatte… aber dabei stößt man hier leider fast immer nur auf taube Ohren – wie bei so vielem.
So wollte ich zum Beispiel bei einem meiner Outreaches in einer Schule beim Thema HIV und STD mit den Schülern über Kondome sprechen. Der Lehrer sagte mir, dass das Sex nur spannend machen würde und ich einfach erklären soll, bis zur Ehe zu warten und abstinent zu leben. Das ging für mich gar nicht, sodass ich dann eine ältere Klasse (Mädchen von 17-19) unterrichtet habe – hier war das Thema erlaubt… solche Erlebnisse frustrieren mich sehr. Aber es gibt auch immer wieder kleine Erfolge. Eine Hebamme berichtete mir nach meinem Workshop stolz, dass sie eine Geburt in knieender Position hatte und das ja wirklich viel einfacher war. Der Laborassistent hält jetzt Ordnung in seinem Labor (“Julia, you inspired me”) und die Hebammen bereiten jeden Morgen den Raum zur Geburt vor.

Ich bin immer wieder erschrocken über die Geburtshilfe in der Klinik hier. Die Hebammen schlagen die Frauen und schreien sie an. Auf der Station werden sie in ihrem Schmerz allein gelassen. Eine Frau saß auf dem Boden und hat nur nach Hilfe geschrien. Die Hebamme war mit anderen Dingen beschäftigt und ich habe mich um die Schwangere gekümmert. 5 Minuten später war das Baby da – ich konnte gerade noch Handschuhe anziehen. Wir hatten außerdem eine sehr komplizierte Beckenendlagen-Geburt. Die Hebammen sind sehr schlecht ausgebildet und das einzige Ziel ist, das Kind möglichst schnell rauszubekommen. Wer vom Fach ist, kann sich vielleicht vorstellen, was die Kollegin gemacht hat.
Das Kind mussten wir reanimieren, und all das wäre vermeidbar gewesen…

Bei Shanti läuft es im Vergleich dazu wirklich anders. Die Probleme der Frauen sind natürlich die gleichen. Sie sind oft sehr abhängig von ihrem Ehemann, der bestimmt, ob es überhaupt “nötig” ist, sich in der Schwangerschaft untersuchen zu lassen. Außerdem muss alles selbst bezahlt und zur Geburt mitgebracht werden. Der Transport muss organisiert werden. Die meisten Frauen arbeiten in ihrer Schwangerschaft sehr viel, tragen Wasserkanister und graben den Garten um. Sie nehmen lange Wege auf, um ins Geburtshaus zu kommen. So auch eine Frau, die ihr sechstes Kind erwartet hat. Nachdem sie bei uns nach langer Zeit angekommen ist, konnte ich keine Herztöne mehr finden. Das Kind ist gestorben. An einem anderen Tag kam eine Frau zu uns, die sich die ganze Zeit nur übergeben hat und sehr schlecht aussah. Sie hat “traditional herbs” genommen, um ihr Kind in der 38.SSW (!) abzutreiben.
Sie hatte hohes Fieber, das Baby miserable Herztöne. Beide haben aber überlebt. Das gehört hier zu den häufigsten Todesursachen der Schwangeren…
Im Nachtdienst hatte ich einige sehr schöne, schnelle Geburten. Der Nachtwächter erzählte mir voller Überzeugung von Geistern und “Nightdancern”, die er hier immer wieder sieht. Einmal soll ein Geist mit einem Koffer an ihm vorbeigelaufen sein. Nach seiner Erzählung schwebte der Koffer einfach so in der Luft und im Gras waren Fußspuren zu sehen. In meinen Diensten waren die Geister wohl leider ruhig, ich habe ihn nämlich darum gebeten, mir unbedingt Bescheid zu sagen, wenn er einen sieht! ;)

Das war nun mal wieder ziemlich viel auf einmal. Es ist schwer, alles in Worte zu fassen und zu beschreiben! Da kann man schonmal etwas konfus werden. Trotz allem geht es mir gut hier! Ich grüße euch alle ganz lieb und freu mich schon, euch in die Arme zu schließen!