Freitag, 25. April 2014

Im Höhenflug


Hinter mir liegen die schönsten Wochen, die ich bis jetzt hier hatte.
Vom 05.-12.April lief bei Shanti ein Workshop zum Thema “Prenatal Yoga”. Zu dem Workshop kamen Teilnehmer aus Kanada, Australien, Deutschland und Japan. Ich durfte auch dabei sein und war die Assistentin der Kursleiterin. Zusammen mit der Projektkoordinatorin habe ich mich also um das ganze “Drumherum” gekümmert . Organisation, Transport, Essen… wir hatten einfach eine wunderschöne Zeit zusammen. Jeden Tag haben wir zusammen Yoga gemacht und so viel voneinander gelernt. Das Essen der Einheimischen hängt einem zwar irgendwann zum Halse raus, aber wir wurden immer sehr herzlich aufgenommen und bekocht. Die Kinder der Frauen haben sogar für uns getrommelt, getanzt,  gesungen und ein Lagerfeuer gemacht, wie im “Afrika-Bilderbuch” ;)
Die Yogis waren so begeistert von dem Land, dass sie mich damit angesteckt haben. In letzter Zeit habe ich den Blick dafür verloren, wie schön es hier auch sein kann – und es jetzt wieder gesehen! Die Landschaft, die vielen bunten Vögel, die dschungelartigen Wälder… das ist schon echt besonders und in dieser Zeit wollte ich gar nicht mehr so dringend nach Hause. Wir waren auch im Haus unserer Traditional Birth Attendant zu Gast und haben hier sehr viele, ich nenne sie mal “delikate” Geheimnisse der ugandischen Kultur erfahren. Definitiv nicht zum Bloggen geeignet!

Nach dem Workshop war ich dann noch mit zwei Deutschen, die ich im Workshop kennen gelernt habe, auf Safari im Queen Elizabeth National Park. Eine 11 Stunden Fahrt mit einer Autopanne, weswegen wir drei Stunden in einem kleinen Dorf verbracht haben und hier mit Jackfruit und Avocado versorgt wurden. Im Park haben wir ganz viele Löwen (und Löwenbabys!), Elefanten, Affen, Büffel, Nilpferde, Krokodile und Vögel gesehen. Der Park ist im Moment voll mit Elefanten, die aus dem Kongo nach Uganda fliehen, weil sie so sensibel sind, dass sie die Unruhen dort merken… das hat uns zumindest unser Guide gesagt. Eine aus unserer Gruppe hat sich etwas zu nah an eine Elefantenherde heran getraut, was böse hätte enden können… zwei Elefantenkühe sind mit ihren Babys durch den Park gelaufen, ganz nah an unserer Unterkunft vorbei. Sie hat sich dann dorthin gestellt, um Fotos zu machen – bis eine Elefantenkuh auf sie zukam und aufgestiegen ist. Ich war nicht dabei, so wurde es mir nur erzählt… es ist aber alles gut gegangen. Was für ein Erlebnis! Zweilmal sind wir mitten im Park im tiefen Schlamm stecken geblieben und haben das Auto mit vereinten Kräften wieder rausgeschoben. Wir sahen alle aus, als hätten wir im Moor gebadet!
Und weil Bilder mehr sagen als tausend Worte, hier ein paar davon!








Eigentlich war ich nach der Tour für den Nachtdienst eingeteilt. Ich habe mich aber spontan entschieden, den Dienst abzusagen und noch weiter nach Jinja, an die Quelle des Nils, zu reisen.
Es war definitiv die richtige Entscheidung! Ich bin zwei Stunden lang am Nil entlang geritten und habe ein paar wunderschöne Tage dort genossen. Am allerbesten war das Wild Water Rafting! Nach einem kurzen Training ging es den ganzen Tag durch Stromschnellen und Wasserfälle. Einmal ist das Boot sogar umgekippt und ich bin gefühlte 10 mal durchs Wasser gewirbelt. Sobald ich an die Oberfläche kam, kam auch schon die nächste Welle und hat mich wieder unter Wasser gedrückt. Das war schon ein bisschen gruselig… bis ich dann von einem der Safety Boote in Sicherheit gebracht wurde. Ein blaues Auge hatte ich danach auch, weil mein Vordermann aus dem Boot gefallen ist und mit seinem Helm in mein Gesicht geschlagen ist. Total erschöpft und klitschnass gab es abends zur Belohnung Wraps und ein kühles Bier!






So viel zu meinem Urlaub! Aber dafür bin ich ja eigentlich nicht hergekommen, deswegen noch ein paar Updates und Berichte von meinem Job hier. Die ersten drei Monate waren nicht besonders schön, wie ihr ja mitbekommen habt. Keine wirkliche Aufgabe, einzige Volunteer, ausgeraubt – das war mein Start.
Aber jetzt kommt immer mehr Leben ins Haus (wir haben seit gestern noch eine neue Volunteer), ich habe mich ganz gut eingelebt, meine Aufgaben gefunden und Spaß daran, die neuen Volunteers an das Leben hier heranzurführen ;) Vor allem, wenn ich sie das erste Mal auf einem Boda durch die Rush Hour in Kampala mitnehme!

Im Geburtshaus ist immer mehr los, wir hatten sogar in einer Nacht zwei Geburten hintereinander und parallel, was ich bei Shanti bisher noch nicht erlebt habe. Gut, dass wir zu zweit waren und uns die Arbeit gut aufteilen konnten. Die Angebote werden immer besser angenommen.
Die Arbeit ist immer wieder herausfordernd. So kam vor einigen Wochen eine Frau ins Geburtshaus, die mal wieder viel zu lange gewartet hat, zu uns zu kommen bzw. Probleme hatte, sich den Transport zu organisieren. Sie hatte am Vortag einen Blasensprung mit Wehen. Beim Bauchabtasten habe ich schon gemerkt, dass das Kind in Querlage ist, bei der VU konnte ich dann den Ellbogen des Kindes tasten. Die Wehen waren schon sehr kräftig und die Geburt schon weit vorangeschritten. Eine Querlage in dem Stadium ist gefährlich für Mutter und Kind, sodas wir sofort die Verlegung veranlasst haben und mit einem Affenzahn zur nächsten Klinik gefahren sind. Es war ein Zweisitzer mit einer Ladefläche hinten. Die Frau wollte sich vorne hinsetzen, und so habe ich mich –nur für den Fall der Fälle- neben sie gequetscht. In der Klinik angekommen, wurde sie sofort für den OP vorbereitet. Wie so oft, hat es sich dann noch ganz schön lang gezogen, bis endlich alles vorbereitet war und der Arzt sich herbequemt hat. In dieser Zeit ist die Nabelschnur vorgefallen. Das einzige, was ich in der Situation tun konnte, war die Frau in Knie-Ellbogen-Lage zu bringen und abzuwarten. Das Kind wurde reanimiert und hat sich langsam erholt. Einen Tag später wollte ich die Mutter und das Kind besuchen und das Kind auf die Brust der Mutter legen (da schert sich sonst niemand drum), aber der kleine Junge hat es nicht geschafft und ist noch in der Nacht gestorben – alleine im OP-Vorraum.
Die Probleme hier entstehen m.E. vor allem dadurch, dass die Frauen oft keinen Transport zur nächsten Klinik haben,alles selbst bezahlen müssen, keine Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, sehr schlecht informiert sind, viel zu viele Kinder kurz hintereinander bekommen und außerdem wenig Bewusstsein darüber herrscht, wie wichtig eine gute Begleitung in der Schwangerschaft ist. Langfristig gesehen sind also die Outreaches in den Dörfern und die Workshops für die Hebammen wohl meine sinnvollste Aufgabe. Die Organisation der Outreaches ist schwierig und frustrierend. Oft wartet man bis zu zwei Stunden, bis die Leute kommen, oder man kommt an und es ist einfach nichts vorbereitet.
Anfang April habe ich z.B. ein Outreach über Familiy Planning in einem kleinen Dorf geplant. Der Termin stand schon seit Wochen. Trotzdem habe ich den Mann aus dem Dorf eine Woche vorher nochmal angerufen, um den Termin zu bestätigen und außerdem auch am selben Tag, eine Stunde vor dem geplanten Treffen. Er sagte nur “yes, you come!”. Also bin ich zum Geburtshaus geradelt, habe alle Demomaterialien eingepackt, die Hebamme abgeholt, ein Boda organisiert. Wir waren uns nicht ganz sicher, wo wir hin müssen, deswegen haben wir ihn dann nochmal angerufen. Plötzlich passte es dann doch nicht mehr, dass wir heute kommen, und er würde sich für einen neuen Termin melden.
Eine Stunde später rief er dann nochmal an und sagte “we are waiting for you”…. dabei hatte er ja grad eben das Treffen abgesagt. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Alles läuft hier eben in African Time. Wenn es regnet, kommt man grundsätzlich nicht zur Arbeit, sondert wartet, bis der Schauer vorüber ist. Man muss immer mindestens eine halbe Stunde rechnen, bis die Hebammen zu ihrem Dienst kommen.
Das ist aber alles kein Problem, denn jeder hat Verständnis, wenn man grad noch “busy” war. Die “Western Idea”  der Pünktlichkeit kann sich hier einfach nicht durchsetzen, so wie vieles anderes.
Aber es läuft trotzdem immer irgendwie und von der Gelassenheit der Menschen hier kann man auch viel lernen. Viel nerviger finde ich persönlich, dass jeder dein Freund werden möchte. Vollkommen fremde Leute auf der Straßen fragen dich “Do you allow me to be your friend? I want to visit you today. I love you, my friend”… die Kinder rufen “assist me!” und wenn man sagt, dass man ihnen kein Geld gibt, bekommt man zur Antwort “Why are you having such a bad behavior?”. So richtig sicher kann man sich hier auch nicht fühlen. Als wir auf dem Markt waren, haben sie einen Dieb beim Klauen erwischt. Plötzlich liefen diesem Mann alle Leute hinterher, die Bodas und Fahrräder kamen, um ihn aufzuhalten. Er hat sich dann in einen Shop gesperrt, bis  jemand die Polizei gerufen hat, die alle Leute mit Tränengas vertrieben hat. Unsere Köchin erzählte mir nachher, dass sie schon oft gesehen hat, dass die Diebe entweder zu Tode geprügelt werden oder mit Benzin übergossen und angezündet werden. Gruselig.

Für den 05.-11.Mai plant Shanti ein großes Fundraising Event in Kampala. In dieser “Maternal Health Week” versuchen wir,  durch verschiedene Aktionen Bewusstsein über maternal health zu schaffen und Shanti bekannter zu machen. Am 11.Mai habe ich meinen eigenen kleinen Infostand zum Thema “mother-centred-care”. Das ganze wird von einer großen Bank hier gesponsert, die auch eine großzügige Spende an das Geburtshaus gibt. Am Mittwoch waren wir dazu sogar auf einer kleinen Pressekonferenz und die Planungen dafür laufen auf Hochtouren!

Aaah, fast hätte ich vergessen, von den kleinen Hundewelpen zu berichten! Vier Welpen haben wir nun schon in das einzige Tierheim in ganz Uganda gebracht. Ich werde jetzt zwar für vollkommen verrückt gehalten, dass ich mich um sowas unwichtiges wie Hundewelpen kümmer, aber das war es mir wert.
Unsere Katze November wurde in diesem Tierheim kastriert und hatte eigentlich alles gut überstanden.
Eine Woche später war sie dann aber total schwach, hat nichts mehr gegessen und getrunken und sich die ganze Zeit übergeben. Am nächsten Morgen war sie tot. So schnell konnten wir gar nicht zum Tierarzt mit ihr (den gibt es natürlich auch nur in Kampala).

So viel erstmal aus dem fernen Uganda. Ich freu mich auf meine Heimat! Die letzten Wochen werden bestimmt schneller rumgehen, als ich denke… macht es gut!

Hier noch zwei Bilder von der Arbeit... ein Outreach und ein Bild von einer Frau, die ich betreut habe :)
und zwei Links mit Projektberichten:

Workshop Link
Outreach Link